Humanitärer Libanon Einsatz
Am 4. August 20 begannen im Hafen von Beirut 2750 Tonnen Amoniumnitrat zu brennen. In der Folge ereignete sich eine verheerende Explosion die Teile des Hafens und der Stadt in Schutt und Asche legte. Laut Angaben der libanesischen Behörden wurden dabei 6.500 Menschen zum Teil schwer verletzt, 190 wurden getötet. Die Explosion war so heftig, dass sie noch im Norden Israels und auf der 240 Kilometer entfernt liegenden Insel Zypern wahrgenommen wurde.
Als Mitglied des United Nations Disaster Assessement and Coordination (UNDAC) entsandte das Österreichische Bundesheer am 6. August mit Hauptmann Gernot Hirschmugl einen erfahrenen Experte für internationale Katastrophenhilfseinsätze, nach Beirut. UNDAC wurde 1993 ins Leben gerufen. Rund 180 nationale Krisenmanager aus mehr als 70 Nationen stehen im Rahmen dieses weltumspannenden Zusammenschlusses für internationale Hilfsoperationen bereit. Fünf davon kommen aus Österreich. Das Verteidigungsministerium beteiligt sich dabei aktuell mit zwei Experten.
Hauptaufgabe Hirschmugls im Libanon war es, in einem 12-köpfigen Koordinierungsstab der UNO, libanesische Autoritäten sowie nationale und internationale Hilfsorganisationen bei der Krisenbewältigung aufeinander abzustimmen und die Hilfsmaßnahmen internationaler Organisationen zur Bewältigung der Explosionsauswirkungen zu koordinieren.
Herr Hauptmann! Wie sind Sie mit UNDAC in Berührung gekommen?
Ich bin seit mehr als 25 Jahren bei der Freiwilligen Feuerwehr Bad Gleichenberg Mitglied, habe die staatliche Krissen- und Katastrophenschutz-Ausbildung (SKKM) des BMI durchlaufen und wurde durch die Tätigkeit meines Onkels, der langjähriges UNDAC Mitglied ist, auf dieses Tool von UN OCHA, dem Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten, aufmerksam. Aufgrund meiner langjährigen freiwilligen Tätigkeit im Katastrophenschutz war mein Interesse daran natürlich sehr groß und das jetzige Engagement als UNDAC Mitglied eine konsequente Fortführung meines bei der Feuerwehr begonnen Weges.
Welche Ausbildungen/Kenntnisse braucht es, um im internationalen UNDAC-Stab tätig zu werden?
Jedes UNDAC Mitglied bringt aufgrund seiner täglichen Arbeit bzw. seines beruflichen Hintergrundes entsprechende Fähigkeiten mit, dabei wird bei der Auswahl der zukünftigen UNDAC Mitglieder darauf geachtet, dass das gesamte Spektrum eines Katastrophenbewältigungseinsatzes abgedeckt werden kann und die entsprechende Expertise vorhanden ist. Darüber hinaus sind die notwendigen internationalen Ausbildungen der UNO Voraussetzung.
Bei derartigen Katastropheneinsätzen spielt ja auch die Zeit eine wesentliche Rolle. Wie viel Vorbereitungszeit wird Ihnen vor einem Abflug in ein Katastrophengebiet zugestanden?
Dabei kommt es auf die Katastrophe an aber grundsätzlich ist die Vorgabe, dass innerhalb von 12-48 Stunden ein UNDAC Team weltweit entsandt werden kann. In diesem Fall wurde ich am Mittwoch um 19:00 Uhr als Teammitglied ausgewählt und bin am Donnerstag um 14:45 Uhr im Flieger nach Beirut gesessen.
Welchen besonderen Herausforderungen sind Sie in Beirut gegenübergestanden?
Die Explosionskatastrophe reiht sich in eine Serie von Herausforderungen und Problemen ein, mit denen die Menschen im Libanon momentan zu kämpfen haben. Dazu gehört die Flüchtlingskrise, die CORONA Pandemie und auch die wirtschaftliche Lage im Land. Das UNDAC Team wurde zur Unterstützung der Bewältigung der Explosionskatastrophe entsandt, dafür war es notwendig eine UN Koordinierungsstruktur aufzubauen. Nachdem das Militär von der Regierung die Verantwortung zur Koordinierung der Katastrophenbewältigung übertragen bekommen hat, war für mich die erste Herausforderung, die entsprechenden Strukturen und Kontaktpersonen im libanesischen Militär zu eruieren und dann den Kontakt zu den Entscheidungsträgern herzustellen.
Hat die anspannte politische Lage zu Einschränkungen bei der Durchführung der Hilfsmaßnahmen geführt?
Die UN leistet Hilfe entsprechend den humanitären Prinzipien (humanity, neutrality, impartiality, independence), wir haben uns daher gemäß unserem Mandat voll auf die Hilfe der notleidenden Bevölkerung konzentriert, dabei hat es aus meiner Sicht und Wahrnehmung keine Einschränkungen aufgrund der politischen Geschehnisse gegeben.
Der Libanon ist ja auch besonders von der Corona-Pandemie betroffen. Welche Hürden gab es hier zu überwinden?
Die Einreisebestimmungen machten bereits vor Ankunft in Beirut klar, dass COVID19 Auswirkungen auf den Einsatz haben wird, so war es notwendig einen gültigen, negativen COVID Test bereits beim Einchecken in Wien vorweisen zu können. Im Libanon wurde dann akribisch genau auf die Einhaltung der Schutzmaßnahmen (1m Abstand, MNS und Händedesinfektion) geachtet. Vor allem der Mundnasenschutz erschwerte die Arbeiten der Hilfskräfte sehr, war aber natürlich zum Schutz absolut notwendig.
2018 waren Sie zur Bewältigung der Flutkatastrophe in Nigeria im Einsatz. Sind die beiden Hilfsoperationen vergleichbar?
Keine Katastrophe gleicht der Anderen. In Nigeria habe ich bei der Bewältigung einer Flutkatastrophe unterstützt und dabei den lokalen Krisenstab der nigerianischen Behörden in Kogi und Edo beraten, in Beirut habe ich in einem UN Stab gearbeitet und die Koordinierung mit dem libanesischen Militär unterstützt. Obwohl die generellen Tätigkeiten im Rahmen einer Katastrophenbewältigung grundsätzlich ähnlich sind ist es trotzdem immer etwas anderes, anderes Umfeld, andere Kultur, andere Rahmenbedingungen aber eines ist in allen Hilfseinsätze gleich, nämlich das Ziel Menschenleben zu retten und menschliches Leid zu mindern.
Herzlichen Dank für das Gespräch, Herr Hauptmann!
Hptm Mag.(FH) Mag. Hirschmugl Gernot
Der steirische Berufsoffizier und Jurist ist seit 2017 eines von zwei aktiven UNDAC-Mitgliedern des ÖBH. Die militärische Karriere begann 1997 im Militärrealgymnasium in Wr. Neustadt. Danach absolvierte Hirschmugl die Theresianische Militärakademie und musterte 2006 (Jahrgang Graf Salm) als Fernmeldeoffizier zum Fernmeldebataillon 1 nach Villach aus. Von 2008 bis 2019 war er in der Abteilung „Civil-Military Cooperation“ des „Zentrums Internationale Kooperation“ bzw. der jetzigen Auslandseinsatzbasis tätig und wurde dabei mitunter als Kurskommandant für Internationale Ausbildungen eingesetzt. Aktuell ist Hirschmugl im Ministerium in der Abteilung „Logistische Unterstützung“ tätig. Im internationalen Umfeld hat sich Hirschmugl im Rahmen von Auslandseinsätzen im Kosovo (2010 und 2013) und in Bosnien (2007 und 2018) unter Beweis gestellt. Der erste Einsatz als UNDAC Mitglied führte Hirschmugl 2018 nach Nigeria, wo er die nigerianischen Behörden bei der Koordination der Einsatzkräfte zur Bewältigung der dortigen Flutkatastrophe unterstütze, 2020 unterstütze er das UN OCHA Büro in Beirut bei der Bewältigung der Explosionskatastrophe. Davor war er Teilnehmer des "Humanitarian Assistance in West Africa Course" am Kofi Annan Peace Keeping Training Centre in Ghana.